Heut ist so ein Tag der mich träumen macht
er kommt nur für wenige Stunden
nun denn – hurtig den Traum gedacht
er heilt für Sekunden die Wunden
Heut sah ich sie wieder deutlich vor mir
sie stand in meines Vaters Garten
der ruhende Pol und des Mittelpunkts Zier
die Hühner in ihren Wurzeln scharrten
und wenn ich’s noch einmal so bedenk
schon damals machte sie mir Mut
ich spielte in ihrem Schatten
und die Erinnerung ist noch ein Geschenk
ich hatte sie lieb, ich mag sie noch gut
sie hat bei mir noch immer Ihren Platz
im Herzen und auch vor der Tür
Blutrot leuchtet im Sonnenschein
ihr Haupt so kraftvoll und schwer
im Sturm steht sie fest und schwanket nicht
sie lädt mich in ihre Nähe ein
hier bin ich geborgen, hier finde ich Ruh
ich kann ihr vertraun, ich höre ihr zu
Hart ist die Schale – doch sanft dazu
ich fühle sie gerne so glatt und so grün
und fehlt mir in düsteren Tagen ein Ort
sie heißt mich dann hoffen
die Blätter im Abendlicht ehern erglühn
die Nacht wird dann heller
Die Zeit der Nebel ist gekommen
sie ruht nun aus noch immer voll Kraft
ihr Schopf ist braun – doch kahl noch nicht
am alten Platz – ein wenig schon verschwommen
wird ihr die Sommerzierde jetzt genommen
wie sie des Lebens Tiefen schafft
kann mir das Beispiel sein
Weiß liegt die Last auf ihren Zweigen
sie ächzt in Kälte, stöhnt im Wind
die Knospen vor ihm sich verneigen
man sieht das neue Leben schon
So ist sie stets durch ihr Frühlingserwachen
durch ihr blutrotes Sommerglühn
durch die Hoffnung die herbstlichen Tagen sie gíbt
durch das was im Winter die Traurigkeit nimmt
für die, die des Weges vorübergehn
ein stummes beredtes Zeichen auf Ihn
Kommt mit der Säge dann der Mann
trifft er gesund und stark sie an
liegt sie dann tot im Grase – im feuchten
hast du den Blick – siehst du im Holze ein Leuchten
aus ihren Brettern wird mit Liebe gemacht
was den Sinn dieses Lebens ausmacht
Trifft als Greis der Mann mit der Säge sie an
ist morsch sie und mutlos von vielen Tagen
kündet ihr Bild doch stolz in den Morgen
als wolle er dem Wanderer damit sagen
die Hitze des Tages habe ich ertragen
die Folgen der Stürme kannst du hier sehn
die Wunden des Lebens davongetragen
doch bin ich aus jenem Holze geschnitzt
das auch heut noch Ofen und Wangen erhitzt
sieh mich als Zeichen der Hoffnung an
und bleiben auch Narben von den Hieben
so sei doch aus jenem Holze dereinst gewachsen
knorrig vielleicht – aber gerade geblieben
November 1981