Zitat des Tages
Über Erbschaften und Gerechtigkeit
„Ich erbe nichts und habe nichts geerbt. Selber werde ich was vererben. Aber da ich kein großes Vermögen besitze und vermutlich auch keines mehr anhäufen werde, müssen meine Nachkommen nicht allzu viel Steuern zahlen. Ich vertrete hier nicht meine Interessen. Ich denke nur ein bisschen nach.
Ständig lese ich, wie ungerecht das Erben sei. Es wird wieder dieser Einheitssound gesendet, den ich so liebe. Reiche Erben müssten unbedingt stärker zur Kasse gebeten werden. Das Geld, welches jemand erbt, sei leistungsloses Einkommen. Der Erbe hat nicht gearbeitet für dieses Geld, das stimmt. Aber seine Eltern oder der Ehegatte haben es getan, oder? Im Normalfall jedenfalls.
Die Eltern könnten das Geld auch bei `Wer wird Millionär` gewonnen, ergaunert oder selber geerbt haben. In den meisten Fällen dürfte aber hinter dem Geld eine Lebensleistung stecken, wobei, wie immer, auch ein bisschen Glück in Spiel war.
Ich habe ein Problem mit der herrschenden Ideologie. Diese Ideologie besagt, dass niemand von uns wirklich etwas gehört. Im Prinzip gehört alles dem Staat – und der Staat entscheidet, was wir behalten dürfen.
Der Staat gibt das Geld natürlich immer nur sinnvoll aus, für Schulen, für die Umwelt und den immerwährenden Kampf gegen Ungerechtigkeit. Keinesfalls verpulvert er das Geld für Flughafenruinen, die niemals fertig werden, für die Rettung maroder Banken, für Wahlgeschenke… Da fällt mir eine Geschichte ein. Neulich sprach ich mit einem hochrangigen Beamten. Er gehörte beim letzten Regierungswechsel zur falschen Partei. Also wurde er kaltgestellt. Er arbeitet nun aber nicht etwa an anderer Stelle, eine Etage tiefer, wo die politische Richtung keine Rolle spielt, nein, er geht für sein nicht unbeträchtliches Gehalt spazieren und muss sich nur zweimal pro Woche im Büro sehen lassen, pro forma. Er selber kann dafür nichts und ist ziemlich unglücklich mit diesem Leben. Das erste Vierteljahr ist super, sagt er, danach wird es schlimm.
Der Staat gibt Geld immer nur sinnvoll aus. Privatpersonen dagegen feiern von ihrer Kohle immer nur Champagnerpartys, niemals spenden sie was, niemals entwickeln sie ein Produkt, welches das Leben angenehmer macht, niemals schaffen sie Arbeitsplätze.
Mir kommt eher die Erbschaftssteuer wie leistungsloses Einkommen vor, für den Staat. Für die Steuern, die man zahlt, kriegt man ja zu Lebzeiten durchaus etwas zurück. Infrastruktur, soziale Sicherheit, Schutz. Das ist der Deal. Deshalb nimmt man es in Kauf, dass auch viel Steuergeld für Zwecke ausgegeben wird, die man nicht gut findet. Für die Erbschaftssteuer gibt der Staat den Verstorbenen nichts zurück und um dessen Geld geht es ja. Die ist leistungslos. Wenn die Erben mit dem Vermögen Gewinn erzielen, müssen sie den natürlich versteuern.
Ein reicher, gesetzestreuer Mensch hat sein Geld versteuert. Mit dem, was er behalten darf sollte er nach meinem Gerechtigkeitsempfinden tun dürfen, was er will. Zum Beispiel darf er sein Vermögen in Monte Carlo verzocken, das immerhin kann der Staat nicht verhindern. Oder er hinterlässt es seinen Kindern. Und niemand kann, wenn man mal ehrlich ist, mit Gewissheit sagen, wer das Geld sinnvoller ausgibt. Womöglich würden die Erben eine Stiftung zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit gründen, doch wegen der Erbschaftssteuer muss diese Idee leider verworfen werden, und der Staat steckt das Erbe in die Abfindung eines gescheiterten Berliner Flughafenmanagers. So kann`s auch kommen.“
Harald Martenstein Der Tagesspiegel