DER MENSCH
Kann sich aus der grauen Masse
befreien
und als unabhängig denkendes Individuum
aufsteigen in die Freiheit
Kann sich aus der grauen Masse
befreien
und als unabhängig denkendes Individuum
aufsteigen in die Freiheit
Wenn ich
einen Wunsch frei hätte
ich wünschte mir nicht
Geld
oder Gold
Erfolg
auch nicht Gesundheit
oder vielleicht ein schönes Haus
keinen grünen Garten
schon gar nicht einen Porsche
leider auch keinen Frieden
es sei denn ich hätte einen zweiten
der eine wäre auch nicht ewiges Leben
ganz im Gegenteil
ich möchte gerne selbstbestimmt
s t e r b e n.
angeregt durch den Wunschbaum
Wir kehrten an der Mosel ein
Beim Wirt zum grünen Kranze
Und längs der alten Mauer stand
Ein Birnbaum nicht – nein viele.
Kaum sitz ich da bei Brot und Wein
Madame Verte – sie fordert mich zum Tanze
So sehr ich mich auch ziert` und wand
Sie hatte mich zum Ziele
Als Baum ist sie schon lange mein
Doch die im grünen Kranze
Ganz kopflos ist ihr kronenstand
Und doch – der jungen Triebe viele.
In meinem Birnenschutzverein
Da brech ich eine Lanze
Für die Madame im Tanzgewand
Auf das es ihr gefiele
Das hier soll mir ein Beispiel sein
Mit meinem Fuchs – dem Schwanze
Befrei ich sie vom Kronenstand
Und setz` ihr neue Ziele
Wenn sie dann denkt ich sei gemein
Nein, nein – sie soll gesunden
Der Birnengitterrost, der ist das Schwein
Die Früchte später – die werd`n munden !
Schon mit fünf
stand ich Dir zu Füßen
schaute ehrfurchtsvoll
auf zu Dir
zogst mich in Deinen Bann
beschütztest mich
nahmst mich in Deinen Arm
wie ein schützender Riese
das Gras zwischen den Beinen
Dich im Rücken
träumen mit geschlossenen Augen
das bleibt
tief in mir.
Ich habe Dich heimgeholt
zu mir
habe Dich nicht vergessen
hier stehst Du nun
fest verwurzelt
ich stehe Dir zu Füßen
schaue ehrfurchtsvoll
auf zu Dir
ziehst mich in Deinen Bann
beschützt mich
nimmst mich in Deinen Arm
wie ein schützender Riese
das Gras zwischen den Beinen
Dich im Rücken
träumen mit geschlossenen Augen
das bleibt
tief in mir.
Heute morgen im Hotel
begegnete ich dem Zimmermädchen
sie wünschte mir sogleich
einen schönen Tag
an der Rezeption flötete sie mir entgegen
einen schönen Tag für Sie
bei Aldi an der Kasse
gab es kostenlos
einen schönen Tag
sie hat nicht aufgesehen
zu mir
um den vorgesehenen Artikeldurchsatz
nicht zu gefährden
im Zug
dröhnte es aus dem Lautsprecher
wir, die Deutsche Bahn
wünschen unseren Fahrgästen
einen schönen Tag
mit 30 Minuten Verspätung
und danken Ihnen
für die Fahrt mit der Deutschen Bahn
draußen regnete es ohne Unterlass
und ich wünschte mir so sehr
einen schönen Tag.
Klaus Wethmar sen.
aufgeschrieben im Zug von HD nach MS
1993 war einer
wollte alte Zeiten
2012 ist einer
wollte alte Zeiten
musste erkennen
dass es vergeblich sei
Gründe zu suchen
Alter
Winter
Bier
Übergewicht
Schuhe
Bin noch auf dem Wege
Jakobs Taufe
verlangt vier Tage Pause
danach geht nichts mehr
tagelang Bronchitis
Versuch misslingt
nach sieben Minuten
Oberschenkelzerrung
falsche Schuhe
laufe hustend
die Bronchien brennen
Zerrung
Enttäuschung
morgen andere Schuhe
Pläne
ich akzeptiere
und doch
Klausi will !
Gerne hätte ich im Paradies gelebt
oder wäre bei Dir
geblieben
gleich um die Ecke
von Anfang an
ich wachte in Hiltrup auf
zwischen Bomben und Sirenen
Bienenzucker und Brotsuppe
Plumpsklo und Zeitungspapier
Und meinen Bäumen
der schönen Luise
und Christas Walnüssen
gefesselt am Elektroherd
und Küssen von Tante Hanne
den Fliegen an der Zimmerdecke
und der Maschine namens Singer
in den Wipfeln des Jakob Leve
Dir ganz nah
in der feuchten Höhle
vor der Welt versteckt
frei schon als Kind
geflüchtet vor Normen
einen Kaktus geliebt
vor dem Eisblumenfenster
erforscht hab ich auch
den kleinen Unterschied
gezittert im Bett
aus Angst vor Strafe
ob sie kam
und sie kam
oft
dann hab ich wieder Höhlen gegraben
bin auf den Wipfel des höchsten Baums geflüchtet
und plötzlich war ich allein
Schulbänke plattgesessen
jahraus, jahrein
kaum was fürs Leben gelernt
lieber gestöbert im Wald
als in Büchern gelernt
aber in Phantasie
hatte ich „gut“
hab manches gewollt
und teuer bezahlt
den Detektor von Heiner
gegen viele Karl May
stolz hab ich es „Imme“ präsentiert
das Gewehr von Opa Johannes
und es verliehen
zurück kam es nie
wollte Zuneigung kaufen
die fehlte mir sehr
kann die Narben noch zählen
von Messerschlägen
aufs Herz und die Hand
und Algebra konnte ich nie
ein Meister bin ich trotzdem geworden
das Klettern war meine Passion
meine Freunde warn Bäume
sie gaben mir viel
sind Bäume auf deiner Seite
bist du stark und geborgen
dann hab ich ein Talent entdeckt
selbst der kleinste Wicht
hat noch Stärken
ganz tief in sich drin
und noch ein „Heiner“ hat es entdeckt
so bin ich noch mal Meister geworden
in meiner zweiten Disziplin
sie hat mich begleitet
auf langem Weg
laufend durchs Leben
bis auf den heutigen Tag
in „Vermögen des Läufers“ ist festgehalten
ein Leben lang laufen
wirkt führwahr Wunder
das steht zweifelsfrei fest
man findet zu Gott
ob Du`s glaubst oder nicht
mein Gott ist mir wohlgesonnen
Drohungen sind ihm wesensfremd
er liebt mich
so wie ich bin
mit allen Schwächen und Fehlern
und ist er auf meiner Seite
so bin ich geborgen und stark
er ist in Liebe vollkommen
und seine Erwartung ist kurz und klar:
Gehe in Liebe mit Andern um.
was wäre wenn
ich vielleicht vor
mehr als vierzig jahren
eine radtour am main
gemacht hätte
und im park am mainufer
hätte sie gesessen
auf einer bank in der sonne
ich wäre an ihr vorbeigefahren
unsere blicke hätten sich kurz getroffen
und wäre da ein winziges lächeln gewesen
ich hätte nach wenigen metern
kehrt gemacht
hätte ganz zufällig
auf höhe der bank
meine radkarte verloren
oder meine mütze
sie wäre aufgesprungen
hätte gerufen
hallo, ihre karte
oder hallo, ihre mütze
ich wäre zu ihr an die bank gekommen
hätte artig meine verlorene ausrüstung
aus ihrer hand bekommen
ich hätte sie gefragt
ob ich ein wenig neben ihr in der sonne
sitzen dürfe
wir hätten ein wenig
miteinander gesprochen
miteinander geschwiegen
ganz zufällig
hätte ich sie
wie ein flüchtiger hauch
berührt
unsere blicke
hätten sich noch einmal getroffen
und dieses lächeln
hätte mich nie wieder losgelassen . . .
Meine Schatzkiste
Quillt über
Angefüllt in Jahrzehnten
Mit großzügigen Gaben
Aber nichts davon
Gehört mir.
Ich will jetzt ein wenig
aufräumen darin
es soll alles an Ort und Stelle sein.
Der Eigentümer kommt
Um sie abzuholen
Ganz unangemeldet.
Meinen Kopf lege ich weich gebettet
Ganz unten hinein
Er ist prall gefüllt
Mit Leben
Vom Lieben
von Bösem
vom Hören
vom Sehen
vom Denken
und von Monatsbriefen
und gleich hinter der Stirn
da muss alles vorbei
immer noch mein Gewissen.
2
Ich setze ihm eine Mütze auf
In die sticke ich hinein
„Diesen gebe ich ganz jung zurück
Kindlich bis auf den heutigen Tag.
Danke ! Und bis Du ihn holst
Will ich ihn noch gebrauchen“.
Meine Arme packe ich in eine Tasche ein
Damit sie zusammen bleiben.
Ich lege ein kleines Briefchen dazu:
„Vielen Dank für diese beiden,
sie waren vielseitig einzusetzen
zum Umarmen
zum Streicheln
um Bäume zu pflanzen
ihre Wipfel zu erreichen
und um sie zu fällen sogar.
Sie haben in den Jahren ein wenig gelitten
Einige Narben davongetragen
sind immer noch gut zu gebrauchen“
Mein Bauch kommt ganz in die Mitte
Mit Magen und Darm und Niere
Ich stelle in Körbchen
Mit Brot und Wurst dazu
Auch Kuchen Bananen und Bier
Für die Rast auf dem Weg
Mit dem Eigentümer.
3
Meine Lunge darf ich hier nicht vergessen
Ich bin ihr zu Dank verpflichtet
Sie mag am liebsten Sauerstoff
Und gab mir freizügig ab
Sie geht dann zurück
Ganz gesund und munter
Und gut trainiert obendrein
Damit das so bleibt
Atmen wir weiter
Trotz Kälte und Wind
Und in des Sommers Hitze.
Nun kommen noch meine Beine dran
Ich weiß sie besonders zu schätzen
Von ihnen trenn ich mich gar nicht gern
Denn wir gingen laufend durchs Leben
Tartan und Waldweg kennen sie gut
Von vielen tausend Kilometern
Ich stelle ihnen eine Urkunde aus
Und erkläre sie hiermit zum Sieger
Ein Lorbeerkranz kommt auch mit hinein
Ich widme ihn gerne dem Geber.
Ich binde zwei rote Schleifen daran
An jedes von beiden eine
Und klatsche vor Begeisterung.
Meine Füße stelle ich vor die Kiste
In Demut
Mit Freude
4
Voll Staunen.
Sie stecken noch in den Schuhen
Damit ich auch morgen noch laufen kann
Ein paar Tage würd` ich sie gern noch behalten.
Zwei Knie, zehn Zehen
Sind ein Wunderwerk
Aus Leistung
Haltbarkeit und Regeneration.
Auch hier stimme ich ein Loblied an
Zu ehren den Eigentümer
Das er mir diese Füße lieh.
In Ehrfurcht schaue ich sie täglich an
Das ist schon ein großes Danke wert
Ich war mit ihnen zufrieden!
Bitte lege sie selbst in die Kiste rein
Wenn Du kommst sie abzuholen.
Saubere Socken lege ich noch dazu
Die mögen sie tragen am Ehrentage.
Meine Pokale die geb` ich gern
Auch die sind nur gelieh`n auf Zeit.
Du hast mich reich beschenkt
Bis heute meine Hand gehalten.
Sogar ein Herz war am Anfang dabei
Es ist mit mir gewachsen
Es hüpfte vor Freude
In Kindertagen
Und schlug gar manches Mal rasend schnell
5
Wir sind zusammengewachsen
Ganz unzertrennlich geworden
Ich will es nun verschenken
Persönlich möcht` ich`s Dir geben
Und das fällt mir nicht einmal schwer
Denn irgendwie bleibt es auch hier.
Meine Seele war nicht in der Kiste
Sie ist ja ein Teil von Dir
Ich hab sie beschützt und festgehalten
Vor Räubern und Dieben
Und Seelenlosen
Getrotzt hat sie vielen Versuchen
Zu behaupten sie sei tot
Sie lebt noch und will nach Haus !
Dein Klaus
Neue Schuhe haben Folgen
Immer wieder
SUPERNOVA SEQUENCE
Ein Stern explodiert
An meinem Fuß
Verglüht meine Ferse
Im Fußumdrehn
Lauflose Tage die reihen sich an
Eigentlich müsste mich trösten
Dass es eisig ist
Der Ostwind mich schneidet
Mit scharfer Klinge
Aber das Wetter als Grund
Das gilt hier nicht
Das Loch in der Ferse
Es setzt mich matt
Und weckt doch die Geister
In mir.
Ein Stündchen Wandern steht heut auf dem Plan
Auch 17 Minuten in Straßenschuhen
Sind ein Versuch
Tagelang auf
Und wieder ab
Wie ein Eisbär im Käfig
In schwankendem Gang
2
Es heilt nicht
Trotz Salbe Calendula
Kein Fortschritt zu sehn.
Tag sieben
Bergauf geht’s ein wenig
Mit Ferse
Und Temperatur
Ich denke bei Tisch
Und grüble im Keller
Träume nachts
Wie geht es voran
Wie geht es noch schneller
Ob Schaumstoffpolster
Die Lösung wär`n
Ohne Bandagen vielleicht
Oder noch ein Versuch
in Straßenschuh`n
ich suche die stinkenden alten
die ausgetretenen Latschen
mit Lederkappe
über den Zeh`n – und
eigenhändig angenäht
diese verschlissenen Sterne
schon tausendmal explodiert
ich wage riskantes
die Operation
3
das Messer ist scharf
es durchdringt die Ferse
nicht meine !
Nein! Die des Schuh`s
Da klafft schon das Loch
Luft drückt nicht
Und scheuert auch kaum
Das ist die Idee
Ob`s klappen könnt ?
Den Barfuß hinein
In den löchrigen Schuh
Ich sehe die Ferse !
Aber die Blase nicht !
Das Loch geschnitten an die falsche Stell!
Das Messer zur Hand
Das ändere ich schnell !
Ich prüfe
Ich schaue
So könnte es geh`h
Den Steg lass ich stehn
Das hält ihn stabil
Sonst wird noch
Die ganze Ferse fragil
Ich schneide von oben einen Keil hinein
Dort müsste die Position
Meiner Blase sein
4
Hinein mit dem Fuß
Geprüfet das Werk
Es sieht furchtbar aus
Aber die Blase liegt frei
Geschnüret die Bänder
So eins zwei drei
Ein paar Schritte zur Probe
Fünf nach vorne
Und sechse zurück
Der Rand von der Kappe ist hart
Und er drückt !
Wenn der Fuß sich bewegt
Im Bette – in seinem
Ein Griff noch zum Messer
Zur Korrektur
So werd` ich es testen
Noch heute am Tag !
Noch jung ist die Stunde
11 Grad minus zeigts an
Eiswind von Osten
Das Windrad erfriert
drum dreht es sich stetig
Und wärmt sich dabei
Die Sonne wird kommen
Ich ahne sie schon
Prüfe stündlich die Uhr
5
Und die Terperat Uhr
Sie blinken, die Ziffern
Halb elf ist es vier
Um zwölfe sind`s fünf
Ich muss jetzt was essen
Aber wie mach ich es dann
Und um zweie ist`s viere
ich kanns kaum erwarten
Halt noch ein wenig stabil !
Oder steige !
Um drei ist immer
noch vier
Es bleibt noch stabil !
Halb vier will ich los
Trotz Bratwurst im Magen
Will ich das Läufchen in die Kälte wagen
Mit Spezialschuh an meiner
Achillesferse.
Das wär doch gelacht
Drei Hosen
Kurz, lang, lang
Die Mütze tief in die Stirn
Und über die Ohren
Sonst bin ich in der Kälte
Total verloren.
So stapfe ich los im Sonnenschein
So falsch kann manchmal die Sonne sein
6
Steif sind die Knochen
Und eisig der Wind
Man spürt ihn von vorne
Er schneidet die Nase
Und die Wange entzwei
Die Hosen spannen über dem Knie
Das macht mich recht langsam
Doch Maßstab ist heute
Die Schnelligkeit nicht.
Die Ferse, sie hält
Ich spüre sie nicht
Sie setzt mir heute
Die Grenzen nicht
So laufe ich locker
Meine Runden verkürzt
Fünfunddreißig Minuten
Die müssen heut` reichen
• Nach sieben Tagen Leerlauf
• Der Wendepunkt
Der Eingriff erfolgreich
Die Sterne, die Neuen
Die lass ich noch warten
Die alten bewährten
Wir halten zusammen
Wir abgewetzten
7
Mit Loch in der Ferse bei Ihnen
Und mir
Wir treffen uns morgen
Das ist keine Frage
Ich danke Euch allen !
Dem Einen !
Den zweien !
Den Füßen !
Und schließlich auch mir !
Jetzt bin ich glücklich !
Und das braucht nun ein Bier.
„Nur die Liebe kann uns retten
ich nehme Dich so wie Du bist
und warte auf einen Quantensprung“
Hamburger Abendblatt
Das Licht Deiner Worte
Leuchtet für mich
Fortan
Dein Schwefelhölzchen
Entzündet ein Feuer
In mir
Und ich strahle
Von innen
Fortan
Ich schenke Dir mein Lächeln
Sterbenskrank
schon abgeschrieben
so gut wie tot
ein Rest Leben
und noch ne Operation
kann man das übertragen ?
In Maring nahe der Mosel
im Kloster
sind wir eingekehrt
bei Wein und Vesper
an der alten Mauer
kränkliche Birnenbäume
alle geköpft
nach genauerem Besehen
gesunde Austriebe
vom Stamm
kein Siechtum
nicht verkrüppelt
entspringt neues Leben
wachsen Euch
neue Kronen
ich habe es heute übertragen.
als ich noch jung war
habe ich an`s sterben gedacht
schon damals gefiel mir die welt nicht
auch später
immer wieder
hat mich bewegt
ob aristoteles recht hätte
das es das größte geschenk
für den menschen sei
irgendwann hab ich ein Kalenderfoto gefunden
festgehalten von heinrich altenburg
in öl
zwei auf dem weg zum kirchhof
sie ist dreißig
und er drei
mit harke und schüppchen
zum papa
im tiefen schatten
beschwerlich hinauf
der weg zu Dir.
und immer noch
gefiel mit die welt nicht
da hab ich gedanken gekauft
von jean amery
zum freitod
als ich weder jung
noch alt war
wollte ich am liebsten
beim laufen sterben
und irgendwann einmal
nur einmal mutig sein
auch als ich schon alt war
gefiel mir die Welt nicht
und es hat mich beschäftigt
warum mein Gott
es so eingerichtet hat
mit dem kommen
und gehen
zu begreifen
steht nicht in meinem vermögen
und auch jetzt
gefällt mir die welt nicht
natürlich aus anderen gründen
und wenn meine frau sagt
du musst noch dies oder jenes
tu ich es aus freien stücken
denn ich muss nichts
außer sterben
mit meinem kindlichen plan
eines tages sage ich Dir
jetzt ist es genug
ich möchte jetzt gern
nach hause zurück.
Fünf Jahre
intensivsten Lebens
verschollen
Aufzeichnungen im Kalendarium der Zeit
heute habe ich euch wiedergefunden
ob sie jemanden interessieren
nach mir
na ja
soweit denke ich nicht
heute
Ursula Veith, 19. August 2011,
für Klaus Wethmar sen.
Lange vor uns
warst Du
ernährtest die väter
ohne Dich
kein haus, kein dach
kein stall, keine scheune
kein schiff, keine brücke
kein tisch, kein stuhl
kein bett, kein schrank
weder tür noch tor
kein feuer im ofen
durch Dich
auch der odem des lebens
in ehrfurcht schau ich auf
zu Dir
bodenständiger
knorriger Veteran
einen besseren freund
find`st du nicht.
setze dich zu mir
der tag ist schön
strecke deine beine
und atme durch
öffne deine sinne
in diesem buch zu lesen
in diesem stillen winkel
sind nur wir zwei.
die sprache aller sprachen
sie nimmt mich ganz gefangen
mein gott wohnt hier
im ilex
und lebt
fürwahr !
im Wald
In meinem Kopf steckt ein Kuckucksnest
darin sitzt die Wirklichkeit
sie macht sich breit
immer breiter
eingedrungen ist sie
durch Auge und Ohr
mich hinauszuwerfen
ist ihr Plan
sie induziert pausenlos
Abwehrversuche
sie tauchen auf
und versinken
sie kommen und gehen
oder bleiben da
manche laut
manche leise
auch welche
wie Paukenschläge
das kannst du nicht denken
das darfst du nicht
ich muss mich zur Ordnung rufen
im Nachhinein
meine Gedanken sind frei
ich lasse sie frei
und bilde mit dem Kuckucksnest
eine friedliche Symbiose.
achtundzwanzigstermärzneunzehnhundertneunundsiebzig
threemileislandharrisburgusa
unsereatomkraftwerkesindsicher
sechundzwanzigsteraprilneunzehnhundertsechsundachtzig
tschernobylukraineunsereatomkraftwerkesindsicher
zwölftermärzzweitausendundelffukushimajapan
unsereatomkraftwerkesindsicher
einunddreissigstermaizweitausendneunzehnbiblisdeutschland
unsereatomkraftwerkesindsicher.
hubert, fünfzig
apoplex
sechsunddreißig stunden
zu spät
gefunden
klinik
koma
heparin 25.000
paralyse
intensivstation
debitatio
tage
nächte
wochen
monate
jahre
ohne hoffnung
beten
sie nennen es
leben erhalten
magensonde
leben ?
vegetieren
nahrung abgelehnt
zwangsernährt
wir können ihn doch nicht
verhungern lassen
selbstbestimmt ?
menschenwürdig ?
tiere haben ein recht
auf einschläferung
die gutachter sagen
keine hoffnung
rechtsstaat
richter sagen
verhungern erlaubt
selbstbestimmt
nach jahrelangen kampf
gehofft
gebangt
gekämpft
und doch
verloren
stand nicht
in der zeitung
es standen dort diese worte:
„ihr könnt genau so erwarten
dass die flüsse rückwärts fließen
als dass ein mensch, der frei geboren wurde
damit zufrieden ist
eingepfercht zu leben
ohne freiheit
zu gehen
wohin es ihn beliebt“
„es ist vorbei
die last ist Dir abgenommen
Du bist frei
kein wunsch
kein wollen
nichts mehr
was Dich verletzt
Du bist in sicherheit“
hubert ist tot
darüber freue ich mich sehr
ich denke voll liebe an ihn
hubert hat nicht verloren
hubert hat gewonnen
hubert hat dass größte gewonnen
was ein mensch gewinnen kann.
tiefe sonne
im westen
waagerechtes licht
unter Dir
schattenlos
liege ich Dir zu füssen
im braunen laubgeraschel.
vom leuchtenden purpur
in Deinem wipfel
ist nichts geblieben.
grasgrün
und das ganze spektrum
des herbstes.
schaukelnd
schwankend
sich drehend
schwebt zielgerichtet
blatt um blatt.
sonnenflecken rotieren
am stamm
rundum.
eine brieftragende taube
stellt ihre post zu
aus st. chamas
eine symbolträchtige feder.
heute leuchtet nur
dieses papier
weinrote botschaft
ich studiere dich
nun zum fünften mal
und jede zeile
bewegt mich
berührt mich ganz.
zwei grosse Kinder
liegen unter einem holunder
im süden
und träumen
von längst vergangenen tagen
um zu pfingsten in der sonne
im norden
die kraft
Deines purpurnen leuchtens
zu spüren.
In der Sonne des Morgens
im Halbschatten der Bäume
dieses
meines Waldes
ergreift mich die Stille
des Augenblicks
der Ferne der Welt
da draußen
die Ausstrahlung dieses Schutzraumes
die Nähe des Spechtes
der krächzende Warnruf des Eichelhähers
obwohl ich sein Freund bin.
Lasten fallen schwer
und meine Bäume trösten
jeden
auch mich.
In die Unendlichkeit
dieses Augenblicks
dringt das fröhliche Pfeifen
des vorbeifahrenden Kutschers
das rhythmische Schlagen der Hufeisen
auf dem Asphalt
ist wie die Entdeckung der Langsamkeit
und ich empfinde
ganz tief in mir
ein kleines Glück.
Es ist spurlos verschwunden
wir finden es nicht
untersucht
jedes Regal
und die Schubladen auch
alle
von oben bis unten
den Stapel der andern
vielfach gesichtet
geschichtet
von unten nach oben.
Alle sind da –
das eine nicht.
Fünf Jahre Leben –
der Stunden intensivsten
denkbaren Lebens.
Protokolle von tausend Tagen
der Freiheit in tausend Stunden.
Nachzulesen
Eiskalte Hände
in schneidigem Ostwind
vergessene Taschenlampe
in dunkeler Zeit
und Schneemassen
die zwangen
zum neuen Weg
der Wind im Rücken
mit guter Zeit
auch die
an denen ich schlecht aussah
mit Abbruch an Stodtbrocks Kapelle.
zu finden in jedem Jahr
den Rohrbuschtag
mit der Hoffnung auf Frühling
der Wärme, dem Licht.
Die erste Bestzeit
im Neuen Jahr.
Auch jede Zerrung
oder andere Blessur
und ihre Überwindung
stets auf`s neu.
Demut
dass die Füße mich tragen
an jedem Tag wieder!
Die kurze Hose
im März oder April
ist das notiert.
Der herrliche Mairegen
auf meiner Haut
und tatsächlich wachse ich
jedes Mal !
Nachzulesen ist immer wieder
neue Schuhe –
da bin ich gespannt.
Das viele Essen
nach einer Feier
der Kampf zu holen
die Kondition zurück.
Tage die flimmern
in der Hitze des Sommers
die Bestzeit des Jahres
mit Sternchen markiert.
Unauffindbar
dieses Buch meines Lebens
mir fehlen fünf Jahre
in meinem Schrank.
Existent ist das Buch
das glaube ich fest !
Was gäb` ich dafür
wenn ich es fände
heut`
oder morgen.
Ich bitte Dich
lass es mich finden
G.
für meine blaue stunde
braucht`s nicht viel
etwas sonne vielleicht
auf meinen knien
ein bischen schatten sodann
zu begrenzen
den hohen flug
ein stückchen feldrain
für meine seele
die schwingende brücke
für leichtigkeit
den kleine anstieg
für mein herz
ein wenig asphalt
der rüttelt mich wach
schon fliegt mir zu
die oxygenium – idee.
für meine blaue stunde
braucht´s nicht viel
etwas sonne vielleicht
in meinem kopf
ein bischen schatten sodann
zu begrenzen
die emotion
ein stückchen feldrain
mit freude dabei
auf der schwingenden brücke
total beschwingt
am kleinen anstieg
da hüpft mein herz
ein wenig asphalt
der rüttelt mich wach
vom fröhlichen lächeln
einer blonden frau.
Eine Rohrbuschrunde vom Lächeln begleitet
Einen Deiner kleinen Brüder
im größten Kurpark Europas
erkundet mit Horst
in Reinhardshausen.
Nach heissem Ritt
mal wieder
die Klasse des Honda bewundert
um in der Abendsonne
Dich anzusehn.
Langsam wirst Du erwachsen
rollst heute Deine Blätter ein
vor lauter Trockenheit.
Was soll ich sagen
purpurnes leuchten
ist das nicht
und so viel grün dabei.
Mein Messband wird nicht reichen
heute
ein Stück des Bindegarnes
wird wohl gehn
am Boden leg ich´s aus
so zwischen den Glöckchen
des Mai
die Enden gefasst
bis in die Höh´
gehoben – und markiert.
Flugs gemessen das braune Band
197 Zentimeter !
Zwei Meter die fallen bald.
Pfingsten in der Sonne
heute
bin ich siebenundsechzig geworden
ich kleiner junge
und ich habe keinen plan
wie das enden soll
ich freue mich
immer noch
ein kind zu sein
kinder berechnen nicht
was sie tun
ich will nicht erwachsen werden
morgen mache ich
einen kindlichen plan.
Möchten Sie ein Tacx – I – Magic
mit USB – PC – Interface
und umfangreichem Portius – software –Paket
für virtuelle Reality – Strecken
inklusive Real – Life – Video
sowie Catalyst- und Analyser – software
im Sonderangebot
für 399 Euro ?
Wie, Sie wissen nicht was das ist ?
Ein Hometrainer, der letzte Schrei !
In dieses Gestell
kann man das Hinterrad seines Fahrrades einschrauben
es hat Bremsrollen
Sie können damit im Keller stationär Rad fahren
und es so einstellen, dass es richtig schwer geht
zum Vergnügen
und zum Training
weil draußen könnte es ja regnen
und virtuelle Reality-Strecken
sind ja viel spannender
als Reality-Strecken
vor allem wenn man bei Strampeln
ein Real-Life-Video sehen kann
das ist Topp-Life
computergesteuert . . .
wenn es dort
kultur gäbe
jazz
irish folk
und ringelnatz
bretonischen apfelcidre
von französischen engeln
kredenzt
und einen Pfannkuchen
herrlich duftend
mit preisselbeeren
unter schattenspendenden alten
bäumen
dann wollte ein jeder
in den himmel . . .
Am Anfang schon
war meine Seele
da.
Mein Herz schlug
ich wuchs rasend schnell
meine Mutter versorgte mich
mit Sauerstoff
und vielem anderen.
Für euch war ich kein Mensch
keine Persönlichkeit
eher eine Sache
rechtlos
definitionsgemäß tot.
Später war ich erneut tot
die Bergung dauerte
der Notarzt kam
nach zwanzig Minuten
ratz- fatz- reanimatio
mein Herz schlug
Intensivpflege nannten sie das
was nun folgte
meine Wahrnehmung war weg
ich konnte nicht atmen
ich konnte nicht sprechen
ich konnte mich nicht bewegen
ich konnte nicht essen
aber ihr habt mich gefüttert
auf eine unmenschliche Weise
eure Definition war
er lebt.
Später viel meine Hirntätigkeit aus
sonst änderte sich nichts
mein Herz schlug
meine Wahrnehmung war weg
ich konnte nicht atmen
ich konnte nicht sprechen
ich konnte mich nicht bewegen
ich konnte nicht essen
aber ihr habt mich gefüttert
auf eine unmenschliche Weise
mein Zustand hieß nun
unumkehrbares Koma
eure Definition lautete
er lebt
Dann brauchte die moderne Medizin
Organe
zur Rettung Kranker
erst Nieren
und Lebern
Bauchspeicheldrüsen
dann Augen
und sogar Herzen
sonst hatte sich nichts geändert
mein Gehirn war ausgefallen
mein Herz schlug
meine Wahrnehmung war weg
ich konnte nicht atmen
ich konnte nicht sprechen
ich konnte mich nicht bewegen
ich konnte nicht essen
aber ihr habt mich gefüttert
auf eine unmenschliche Weise
nach eurer Definition war ich
nun wieder tot
nach dem Stand der Wissenschaft
ihr Vermutungsschaftler
aber ich hatte noch immer eine Seele.
Auf wundersame Weise
wurde ich wieder gesund
mein Gehirn arbeite wieder
mein Herz schlug
ich atmete
aus eigener Kraft
ich nahm vieles wahr
Wärme und Kälte
Lärm und Stille
Wohlwollen und Abneigung
ich konnte wieder sprechen
ich konnte mich wieder bewegen
ich konnte wieder essen
und trinken.
Sehr bald habe ich eine Patientenverfügung
aufgeschrieben
für den Fall
dass ich nach eurer Definition
wieder tot sein sollte
es hängt ein Schild um meinen Hals
„reanimatio edicte vetare“ !
Ansonsten hat sich nicht geändert
mein Gehirn arbeitet zufriedenstellend
mein Herz schlägt
beim Laufen sogar fröhlich
meine Atmung ist o.k.
Essen ist mir ein Vergnügen
das Bierchen schmeckt mir
meine Wahrnehmung ist geschärft
meine Organe sind inzwischen nicht mehr
interessant für euch
und nicht das jemand auf die Idee käme
es seien Situationen vorstellbar
in denen fremde Organe
meine Probleme
lösen könnten.
„Wenn ich müde bin
lasst mich schlafen
wenn mein Pankreas verschlissen ist
will ich kein neues
wenn meine Zähne faul sind
gehe ich zahnlos
wenn meine Hüfte schmerzt
freue ich mich über 50 Jahre
Laufen zur Freude
Eure Plastikhüfte brauche ich nicht
damit kann man nicht einmal
ein Jahr Freude bereiten
wenn mein Herz steht
lasst es stehen
sonst sagt später
noch einer Schwein zu mir
wenn mir einer die Rippen bricht
tut er es gegen meinen Willen.“
Auch an Ganzkörpertransplantationen
besitze ich schon sehr lange
alle Rechte.
Dafür gibt es keine Lizenz von mir !
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Die Selbstbestimmung des Menschen
ist unantastbar.
Meine Seele ist über euch erhaben !
angeregt durch Scheidewege 2009 Hilfe ich bin hirntod
Der Lockenköpfe große Zahl
schwer hängt sie an den Zweigen
die Sonne wärmt der Rücken mir
schon in der Morgenfrüh`
fröhlich kraftvoll grüßt
die Meisenbrut den neuen Tag
verdorrt sind Deine Untermieter
den Sonnenhut
den dürstet`s arg
das Braun im Rasen
wächst enorm
die frühlingshafte Frische
ist gewichen
in Deinen Farben herbstet`s schon
als Reaktion auf diesen Mangel
im Sonnenlichte ledern gleißt`s
zum Spaß will ich Dich nun
umfangen
noch steht Dein Maß vom letzten Jahr !
Pfingsten in der Sonne